Konzert: Lowlands Festival
Ort: Biddinghuizen/NL
Datum: 14.08.-17.08.2025
Dauer: 4 Tage
Zuschauer: 65.000 sold out
Die Ankunft am Campingplatz am Freitagmorgen beginnt mit der typisch entspannten Lowlands-Atmosphäre: Der Campingplatz im niederländischen Biddinghuizen ist bereits gut gefüllt, da die
Anreise bereits am Donnerstag möglich ist.
Nun heißt es Zeltleinen straffen, Heringe in den Boden schlagen und dann dieser weite Blick über die
aufgehende Festivalstadt: bunte Zelte, erste Begegnungen, Musik weht einem entgegen und die
Vorfreude greift wie ein freundlicher Pogo.
Schon erste Blicke auf das Gelände verheißen ein abwechslungsreiches Wochenende:
Kunstinstallationen auf grünen Wiesen, kreative Skulpturen – so wird der Festivalgeist greifbar. Man fühlt sich als Gast und nicht als Kunde.
Ein Beispiel sind die Übergänge vom Zelt-zum Festivalgelände. Keine Zäune oder schlecht gelaunten Secs erwarten einen hier. Den Besuchern wird vertraut und die belohnen sich selbst und den Veranstalter mit einem unglaublich relaxten Wochenende.
Alles stimmt an diesem ersten Festivaltag. Das
Wetter ist perfekt, blauer Himmel, warme Sonnenstrahlen und dazu gibt es ja auch noch Konzerte auf mehr als 10 Bühnen bis tief in die Nacht.
Life as it should be.
Der energiegeladene Auftritt der Irischen Musikerin CMAT mit vollem Namen Ciara Mary-Alice
Thompson, lädt mit den ersten Tönen zu einem Wochenende voller
Entdeckungen und musikalischer Vielfalt ein. "The Guardian" schrieb über ihre Musik: „Ihre Lieder sind
traurig und doch zugänglich, emotional gebildet und geschickt gestaltet, aber, was entscheidend ist,
mit einem enormen Sinn für Humor."
Und genau dieser Humor und die Spielfreude der Band sind ein
perfekter Auftakt für den ersten Tag.
Weiter geht es zu einem kurzen Abstecher ins "Bravo" (eigentlich der Tanztempel der Nacht. Ein Zelt für ca. 10.000 Zuschauer) um bei Kingfishr feinsten Irischen Indie Folk zu
hören, der einen an Mumford and Sons erinnern lässt.
Das Programm beim Lowlands ist so vielfältig und auf dem eigentlichen Weg zur nächsten Location gibt es soviel zu entdecken, manchmal schafft man es nicht immer alle Konzerte
komplett zu erleben. Auf dem Weg zum "Alpha" (der Main-Stage Dome) gibt es noch einen kurzen Moment im "India" Podium, dort
stehen Deadletter auf der Bühne, die für ihren energiegeladenen Post-Punk-Sound bekannt sind, der
Elemente von The Fall und LCD Soundsystem aufgreift. Dringend zu empfehlen.
Zwei Bands die ich auf jeden Fall an diesem ersten Tag komplett sehen wollte, spielen im Alpha: London Grammar: kühl, makellos, unnahbar. Als Hannah Reid und ihre Band die Bühne betreten, ist
alles perfekt, fast zu perfekt. Glasklare Stimme, makelloser Sound, jede Note sitzt wie aus dem Studio
geschnitten.
Doch zwischen Bühne und Publikum liegt eine unsichtbare Glasscheibe. Kaum ein Wort,
kein Blick, kein Moment, der diese Barriere durchbricht. Viele lauschen gebannt, andere spüren eine
kühle Distanz – schön anzuhören, aber schwer zu fühlen. Dazu passt die Sonnenbrille, die Hannah das gesamte Konzert nicht abnehmen wird, obwohl sie in unter einem riesigen Dach spielt. Ein Konzert wie ein poliertes Kunstwerk:
man bewundert es, aber man berührt es nicht.
Queens of the Stone Age dagegen: roh, direkt, ein verschwitzter Traum. Als Josh Homme und seine Mitstreiter übernehmen gibt es keine Spur von Zurückhaltung. Jeder Riff ein Faustschlag, jede Ansage ein Augenzwinkern. Die Band verschmilzt mit der Menge, und als Josh Homme sich spontan direkt in die Zuschauer
hineinwirft, lebt er und wir im Moment.
Wo London Grammar Abstand hielt, reißen Queens of the
Stone Age die Festivalmauern ein.
Zwei Extreme an einem Tag – und genau dafür liebt man Festivals: Man kann sich
erst im kühlen Neonlicht verlieren und später in rotem Scheinwerferfeuer wiederfinden.
Am zweiten Tag passiert, das was sich jeder Festival Liebhaber wünscht, die Erinnerung an die an
dem Tag bis dahin gesehen Bands ist verschwimmt im Nachhinein, denn ein Abend mit FKA Twigs ist kein
gewöhnliches Konzert. Es fühlte sich eher wie ein Theaterstück an, vielleicht sogar wie ein Ritual, in
dem wir alle Zeugen wurden oder Komplizen.
Von der ersten Minute an stand die Bühne nicht nur für Musik, sondern für ein Spiel aus Körper,
Stimme und Emotionen. Die Show begann roh und brutal: Bewegungen, die an Kampf erinnerten,
scharfe und brutal klare und laute Beats, die den Raum zerschnitten, und eine Intensität, die das Publikum in den Bann zwang.
Fast animalisch, voller Kraft, fast gewalttätig in ihrer Direktheit.
Doch diese Härte verwandelte sich
mit fließender Eleganz.
Zwischen schweißtreibender Ekstase (wirklich) und hochgradig sexuell aufgeladener Präsenz offenbarte FKA
Twigs eine Sinnlichkeit, die nie platt, sondern immer kunstvoll inszeniert war. Tanz, Gesten und Blicke
verwoben sich zu einer körperlichen Sprache, die so unmittelbar wirkte, wie ihre Songs.
Dann folgten die Brüche. Plötzlich zerbrechlich, fast verletzlich, stand sie da und sang Balladen, die so hoch
emotional waren, dass der ganze Saal in eine andere, fast intime Sphäre gezogen wurde. Jeder Ton
wirkte wie ein Geständnis, jede Silbe wie ein offener Nerv.
FKA Twigs erzählte an diesem Abend keine Geschichte im klassischen Sinn. Sie zeigte Zustände,
Extreme, Übergänge – roh, brutal, sexuell aufgeladen, dann wieder sinnlich und verletzlich. Es war
ein Fiebertraum, aus dem man am Ende aufwachte, ein wenig benommen, ein wenig verändert.
Der dritte Tag begann noch im Halbschlaf: Black Country, New Road eröffneten mit zarten,
verschlungenen Songs, die wie ein vorsichtiges Aufwachen wirkten. Fragil, manchmal brüchig, dann
plötzlich kraftvoll – ihre Musik schuf sofort eine besondere Nähe zwischen Bühne und Publikum.
Es folgten die Fontaines DC. Ihr Auftritt war laut, treibend, kantig – aber vielleicht zu sehr auf Autopilot, nach einem vollen Jahr auf Tournee. Die
Energie war da, die Songs rissen mit, aber es fehlte das Unberechenbare, das Überraschende. Man
sah eine Band, die weiß, wie man ein Festivalpublikum bedient, aber die Leidenschaft schien ein
Stück weit hinter der Routine zu verschwinden.
Und doch: die Menge ließ sich mitreißen, tanzte,
schrie. Die Energie stimmte, das Publikum ging mit, aber die Überraschung fehlte. Ein Sturm, der
zündet, aber kaum nachhallt.
Als die Sonne langsam tiefer sank, brachte MK.GEE eine andere Farbe ins Spiel. Sein Sound erinnerte
an die elektronische Phase von Bon Iver – dieses Schweben zwischen Intimität und elektronisch verzerrter Entrückung.
Plötzlich
war da Wärme, fast so, als würde jemand eine Decke um die erschöpften Körper legen. Seine Stimme
klang verletzlich und nah, die Songs breiteten sich aus wie kleine Träume. Zwischen all der Lautstärke
des Tages war das einer der Momente, in denen man wirklich stehen blieb, um zu lauschen. Sein Gesicht war zu fast keiner Sekunde erkennbar, Nebel und Stobolicht boten eine anstrengende und oft nicht passende Untermalung dieses musikalisch fantastischen Konzerts.
Zum Abschluss verwandelte Jamie xx das Gelände in eine Tanzfläche. Mit dichten, hypnotischen
Beats trug er die Menge durch den Abend, baute Spannung auf und löste sie immer wieder ein. Ein
Finale, das weniger Konzert als kollektives Abschiednehmen war. Auf jedem anderen Festival wäre dieses DJ-Set herausragend. Hier tanzt man zu ähnlich guter Musik noch auf sieben weiteren Bühnen mit diversen Stilen durch die Nacht.
Am Morgen danach begann das eigentliche Erwachen. Das Festivalgelände lag stiller da, nur das
Knistern von Müllsäcken und das Quietschen zusammenfallender Zeltstangen war zu hören. Mit
jedem Handgriff beim Abbau, mit jeder zusammengerollten Isomatte verabschiedete man sich ein
Stück mehr von den letzten Tagen.
Als der letzte Hering aus der Erde gezogen war, blieb ein Moment
des Innehaltens: der Blick über den leeren Zeltplatz, über Spuren von Nächten voller Musik und
Begegnungen. Müde, aber glücklich ging es zurück Richtung Alltag – mit der Gewissheit, dass
die Vorfreude auf das nächste Jahr schon jetzt wieder wächst.